freddy quinn: wir (1966)

02Feb10

freddy quinn, das irische halbblut, 1931 in österreich als Franz Eugen Helmut Manfred Nidl (Niedl-Petz?) geboren, war ein guter, wenn auch nicht vielseitiger, sänger. und vielleicht auch ein netter kerl. besonders helle aber, das war er nicht. zum beweis hier der song „Wir“:

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Freddy: Eine Handvoll Reis (1966)

Freddy: Eine Handvoll Reis (1966)

dieser unfassbar konservativ-muffige text macht mich immer wieder sprachlos, und das lied gehört definitiv gecovert von menschen mit feinem humor.

der song war 1966 (oder 1967?) die b-seite der single Eine handvoll Reis, nach quinns dafürhalten ein anti-vietnamkriegs-lied und nicht etwa einer kriegsverherrlichenden, vor übelster landserromantik strotzender ballade:

Wir kämpften in unserer Kolonne
für Freiheit und Demokratie.
Und hinter uns rollte die Tonne
mit Whiskey für die ganze Kompanie.

(zerfetzte leichen und verkrüppelte 16-jährige werden in dem lied dagegen nicht erwähnt.)

in einem taz-interview von 2001 sagt freddy, er sei ja „so oft missverstanden“ geworden und habe im grunde auch nie etwas gegen „gammler“ gehabt — aber klar:

Natürlich, gegen Leute, die nicht arbeiten wollen und auf unsere Kosten leben, gegen die hat doch jeder was.

V/A: Pop 2000 - 50 Jahre Popmusik und Jugendkultur in Deutschland (1999)

V/A: Pop 2000 (1999)

ich persönlich kenne den song aus der 8 cd-Pop 2000-box (nicht dem popeligen soundtrack) zur ausgezeichneten gleichnamigen mehrteiligen wdr-musikdoku. die würde ich jedem empfehlen, der einen einblick in die deutsche popmusiklandschaft der jahre 1950-2000 möchte. beteiligt an produktion und (übrigens recht gelungener) auswahl der tracks war Herbert Grönemeyer — wie jeder weiß, ein profunder kenner deutscher popmusik, siehe interview:

Was war die größte Überraschung bei der Arbeit an der CD-Box?
Dass es eigentlich schon mehrere Generationen deutscher Popmusik gibt: Die elektronische Musik der siebziger Jahre von Bands wie Kraftwerk, Neu oder La Düsseldorf war sehr deutsch und sehr wegweisend. Die Neue Deutsche Welle Anfang der Achtziger war auch sehr deutsch.

ja, herbert, das ist alles wirklich wahnsinnig überraschend! dass krautrock und ndw also deutsch, bzw. sogar „sehr deutsch“, waren — wer hätt’s gedacht.

und um noch mehr abzuschweifen: den „Wir“-track hat Bear Family 2008 auch — zu recht — auf seinem einzigartigen Hippies, Hasch und Flower-Power-sampler verewigt, mit weiteren deutschen pop-grausamkeiten über die hippie- bzw. gammler-bewegung. die trackliste ist extrem gruselig. einiges ist bereits von den großartigen In Kraut-samplern von Marina Records bekannt (France Galls unsägliches „Hippie Hippie“, Kuno & The Marihuana Brass mit „Marihuana Mantra“ u.a.), manches nicht — wie z.b. frühe gesangseinlagen von Ralph Siegel und, aus der demokratischen republik, Manfred Krug.

noch ein paar worte zu freddy. nach einem rastlosen wanderleben (als zirkusartist und kurzzeitig angeblich auch als fremdenlegionär) wurde er 1954 in hamburg entdeckt. erste aufnahmen folgten, zunächst noch unter dem lustigen namen „Frederico Quinn„. 1956 hatte er dann seine erste hit-single mit zwei eingedeutschten coverversionen — wie so oft im nachkriegsdeutschland:  Sie hieß Mary Ann (orig. Sixteen Tons) und vor allem natürlich das bekannte Heimweh (orig. Memories Are Made of This). von da an hatte er bis 1966 zehn nr. 1-hits in deutschland, verkaufte über 60 millionen platten, wurde erster deutscher schallplattenmillionär und außerdem erster ehren-schleusenwärter der stadt hamburg — wat’s nicht alles gibt.

nach „Wir“ ging’s bergab mit ihm (kein wunder!), aber es hagelte dafür noch viele kleine auftritte in film und fernsehen, als sprecher in den Scotland Yard-hörspielen und als sänger des titelsongs für die Lucky Luke-zeichentrickserie. 2003 kam er ins Guiness-Buch der Rekorde, als er mit 83.500 oder auch 88.600 menschen La Paloma sang — wobei Gotthilf Fischer aber angeblich bereits 1990 in dresden mit noch viel viel mehr menschen (exakt 142.000 stück) gesungen hatte! skandal.

ein jahr drauf wurde freddy quinn wegen steuerhinterziehung von lächerlichen 900.000 € verknackt. vermutlich wieder mal — nur ein missverständnis, freddy tat das nämlich sehr leid:

Doch manchmal, in guten,
in stillen Minuten,
da tut uns verschiedenes leid.

na hoffentlich.



20 Responses to “freddy quinn: wir (1966)”

  1. 1 Jonny

    Bitte den Songtext zu „Eine Handvoll Reis“ richtig und ganz bringen. Da wird nichts verherrlicht. Für mich ein absolutes Antikriegslied.
    Und „Wir“?! Ausgangspunkt für den Text war die Gammlerbewegung, die sich in Teilen nicht zu schade war, in Berlin die Gedächtniskirche zu beschmutzen. Dies hatte nichts zu tun mit harmlosem Hippiedasein. Vielleicht hätte man den Text mit etwas Ironie verfeinern können. Nichtsdestotrotz auch so vom Inhalt nichts verwerfliches.
    Freddy hätte sich danach von bestimmter Seite nicht so in die Ecke drängen lassen sollen. Mehr Offensive seinerseits hätte zur damaligen Zeit sicherlich zur Klärung der Missverständnisse beigetragen.
    Danach soll es mit Freddy bergab gegangen sein? Er selbst hatte schon Anfang 1966, also vor „Wir“ angekündigt, sich nach und nach mehr anderen künstlerischen Aktivitäten widmen zu wollen. Nur noch kleine Auftritte? Da hat wohl jemand nicht richtig recherchiert oder aber es wird bewusst die Unwahrheit gesagt. Bis ins Jahr 2006 war Freddy u. a. auch noch auf Tournee mit meistens ausverkauften
    großen Hallen!!! Ich war z. B. selbst unter 9000 Menschen in der Dortmunder Westfalenhalle. Adios

  2. Danke, Jonny, für deine Hinweise.

    (1) Eine handvoll Reis:

    „Eine Handvoll Reis gab es in Lao-tan
    Eine Handvoll Reis für einen Tag pro Mann
    Eine Handvoll Reis, eine Handvoll Reis

    Dazu 300 Schuß Munition und zum Appell generell
    Stolz und Trauer und die Grüße,
    ja, die Grüße – der ganzen Nation

    Wir kämpften in uns’rer Kolonne für Freiheit und Demokratie
    Und hinter uns rollte die Tonne mit dem Whisky der Kompagnie
    Wir sind in die Hölle gefahren, Malaria, letzte Ration
    Von 70 Mann, die wir waren, erreichten nur drei die Station

    Der Ort Lao-tan an der Küste war dreimal verwüstet und leer
    Die Felder dort wurden zur Wüste und es gab keine Blumen mehr
    Hier wurde die Hoffnung verladen, die Heimat erreichten wir nie
    Wir waren drei Kameraden, die letzten der Kompanie.“

    Kann man also durchaus als kriegs-kritisch sehen, keine Frage. Dennoch sind mir solche romantischen Kriegs-Balladen einfach suspekt, denn sie transportieren nur wohlige Melancholie, was dem tatsächlichen Grauen eines wirklichen, echten Krieges kaum nahekommt. Krieg hat mit Romantik NICHTS, aber auch gar nichts zu tun. Krieg hat mit tausendfachem Tod und kollektivem Wahnsinn zu tun, mehr nicht.

    (2) „Verwerflich“, bzw. geradezu erschreckend, ist bei „Wir“ diese Verwendung des plakativen Wortes „Gammler“, durch den Andersaussehenden und -denkende gleich in die Asozialen-Ecke gestellt werden. Das ist und bleibt einfach Stammtisch-Niveau.

    (3) Apropos „in die Ecke drängen lassen“: Ein jeder ist für das verantwortlich, was er tut — und wenn der Freddy „Wir“ singt, dann muss er sich dafür auch verantworten. Deshalb meinte ich ja auch, dass er keine große Leuchte ist.

    (4) Mit „kleine Auftritte“ meinte ich die in Film und Fernsehen. Dass Freddy im Rahmen des Nostalgie-Zirkus bis vor kurzem noch Hallen gefüllt hat, glaube ich gern, aber im Endeffekt hat er seit Mitte der 1960er nur noch sein Image bewahrt und sein Einkommen gesichert.

  3. 3 Jonny

    Ok Schrottvogel,
    wir leben glücklicherweise in einer Demokratie und jeder hat das Recht, seine Meinung zu äußern.

    a) Freddy ist also keine große Leuchte wegen des Titels „Wir“. Schon mal darüber nachgedacht, dass er damals und auch später einfach keine große Lust hatte, sich mit wem auch immer über den Inhalt seiner Liedtexte auszutauschen. Ich an seiner Stelle hätte es getan, er wollte es nicht. Deshalb aber gleich nicht vorhandene Intelligenz zu unterstellen, halte ich für gewagt bzw. Stammtischniveau. Den Text zu „Wir“ hat übrigens Fritz Rotter geschrieben, der in den 1930er Jahren vor den Nazis fliehen musste und dem rechtes Gedankengut absolut fern lag. Ein ironischer Unterton wäre bei der Textgestaltung vielleicht besser gewesen.
    „Eine Handvoll Reis“ eine romantische Kriegs-Ballade? Wahrscheinlich „Hundert mann und ein Befehl“ dito? Ich empfinde das nicht so. Mir läuft noch heute -oder heute wieder, Afghanistan?!- ein Schauer über den Rücken, wenn ich diese Songs mit Freddys ausdrucksstarker Stimme höre.

    Dass Freddy außer „Wir“ nicht nur millionenfach verkaufte Heimweh- und Sehnsuchtslieder gesungen hat, sondern durchaus Songs mit kritischem Text – also
    doch eine Leuchte? – herausgebracht hat, ist Ihnen offenbar nicht bekannt.
    Als Beispiele möchte ich nur das 1961 produzierte „Bedaure, der Boss ist nicht hier“ und „Wo warst du so lange mein Sohn“ aus 1964 erwähnen.

    b) Die Gesangstourneen bis zum Jahr 2006 sollten ein Beispiel sein für eine bis zuletzt erfolgreiche Künstlerkarriere. Und ab 1966 nur noch kleine Auftritte in Film und Fernsehen? Diese Äußerung ist absolut falsch und wird in keinster Weise dem künstlerischen Schaffen Freddy Quinns gerecht.
    Offenbar ist Ihnen entgangen, dass Freddy z. B. 1976 und 1977 im ZDF jeweils
    abendfüllende Showkonzerte (Orchester Bert Kaempfert) ablieferte – mit einer phantastischen Sehbeteiligung -, dass danach – auch im ZDF – bis Mitte der 1980er Jahre überaus erfolgreich die Sendungen „It’s Country Time“ mit Freddy als Moderator / Entertainer liefen, dass zur gleichen Zeit und später von Freddy Zirkussendungen moderiert wurden.
    Abgesehen vom TV lief 1971 in den Kinos der Film „Haie an Bord“ (oder „Die Fahrt ins Abenteuer“) mit ihm als Hauptdarsteller und u. a. Karin Dor.

    Priorität hatte für ihn aber ab Ende der 1960er Jahre das Theater, mit unzähligen Auftritten an festen Spielorten, z. B. auch in London, oder im Rahmen des Tourneetheaters. Zwischendurch die schon erwähnten Gesangstourneen, bei denen er auch bis zuletzt immer neue Songs brachte, die leider von fast keinem Sender gespielt wurden bzw. werden. Also nicht nur Nostalgie-Zirkus! Abgesehen davon, dass Nostalgie etwas sehr schönes sein kann.
    Adios

  4. du bist ein freddy quinn-fan, oder?

  5. 5 Jonny

    Ja, bin ich.
    Was nicht heißt, dass ich alles supercool finde, was er so im Laufe der Jahre auf den Markt gebracht hat. Eines imponiert mir aber bis heute: Er hat sich nie in die scheinheilige Schickimickiwelt begeben und ist auch nie irgendwelchen Journalisten hinterhergelaufen, um verkaufsträchtige Schlagzeilen zu produzieren. Eher das Gegenteil. War aus finanzpolitischer Sicht vielleicht nicht immer klug – Musterbeispiel Dieter Bohlen -, aber konsequent.

  6. 7 tkk123

    Huihuihui, hier geht ja die Post ab. Ich hoffe, ihr kriegt euch wieder ein. „Wir“ ist definitv für die damalige Zeit ein sehr untypisches Stück, welches sich gegen damals rebellierende Jugendliche richtete. Ok? Nicht mehr und nicht weniger. Nur ein Lied von einem Typen, der bestimmt schon damals null Ahnung hatte, was in der Welt vor sich geht. Und, Schrottvogel: wo du doch mehr in der Punkrichtung beheimatet bist: ist es eigentlich nicht wunderbar, als „Gammler“ etc. beschimpft zu werden?

  7. na ist ja klar, dass man im deutschsprachigen web nicht über heilige wie f.q. herziehen darf.

    und zum lied selbst: ich hätt’s nicht gepostet, wenn ich’s einfach nur scheiße finde. der song an sich ist prima, musikalisch gesehen — aber der text ist einfach nur unfassbar… und genau das macht das lied einzigartig. ein herrliches zeitdokument für die spießig-miefigen 1960er in deutschland.

  8. 9 Manfred von der Wippel

    wer hier gegen Freddy so beschissen schreibt hat keine Ahnung von Sangeskunst Freddy ist der beste Deutsche Sänger den wir haben da kommt kein Hans Albers mit der hat doch nur gesprochen und von wirklichen Singen war der weit entfernt .Freddy hat eine Stimme die es kein 2.mal gibt.Seine Seemnanns Lieder und die von Heim und Fernweh waren das beste was es je gab komisch das der Johny Hill nicht so schlecht gemacht wird immer nur auf Freddy rumhacken ihr blöden Kritiker macht es nach was er gemacht hat ihr würdet doch keinen Ton treffen heute wird jeder zum Sänger hochgejubelt und singen können die alle nicht brauche nur den blöden Bohlen oder Medlock anzusehen das sind nur Knallerbsen und wären zu damaliger Zeit nie ans Micro gekommen .Ich war auf jedem Konzert von Freddy hier in Bremen und er war immer super klasse seine Stimme war auch ohne Verstärker wunderbar.Nur schade das es solche Sänger nicht mehr gibt Ich kann nur sagen Freddy gönne dir deine freie Zeit und geniese dein Rentnerleben du hast uns Jahre lang freude gemacht Danke Freddy

    • herr von der wippel kennt sich echt aus. uiuiui.

      • 11 von der Wippel

        Ja ich kenne mich etwas aus mit Freddy Quinn sag mir wer kann denn besser Singen was da mit dem Bohlen so rumkraucht ist doch das letzte umsonst hat Freddy nicht zig Millionen verkauft und Goldene gab es erst ab 1 Millionen verkaufter Scheiben wogegen es heute nur 100.000 sind also wievie Goldene er wohl hätte?? Nun was soll der krach er hatte seine Zeit und nun haben sie andere.Grüße an dich schrottvogel

  9. 12 hyperion

    Wer will nicht mit Freddy verwechselt werden? WER!
    Wer sorgt sich um den Schlager auf Erden? ER!
    Er lungert herum vor den Mikrophonen,
    geboren in Wien, um in Hamburg zu wohnen? ER! ER! ER!

    Wer hat den Mut, für ihn sich zu schämen? WIR!
    Wer läßt sich unsere Zukunft nicht nehmen?WIR!
    Wer hört ihn Kriegslieder intonieren,
    und muß vor ihm jede Achtung verlieren? WIR! WIR! WIR!

  10. ich bin das erste Mal auf den song ‚wir‘ in folgendem Film aufmerksam geworden:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Ich_bin_ein_Elefant,_Madame
    sehr sehenswert und passend zum Thema

  11. 14 Dorothee Hillwalker

    Hallo,

    habe gerade diese Seite entdeckt. Zugegeben ich bin bereits 60 und daher habe ich vielleicht auch eine abweichende Auffassung denn ich habe das Leben erlebt – in Deutschland, Schweden und Irland.

    Ich finde diese Diskussion etwas eigenartig. Zum ersten: Warum hat es mit Intelligenz zu tun welche Lieder man singt? Viele Stars singen ganz banale Lieder. Es sind doch die Produzenten und Manager die bestimmen was man da von sich gibt. Die Künstler können gar nicht so viel mitreden – sonst wird Ihnen der Hahn abgedreht. So viel ich gelesen habe, war es fürchterlich schwer für Freddy Quinn vom Seemann Image loszukommen. Er wollte beweisen, dass er mehr kann und das hat er wirklich getan! Seine Stimme hat alles getragen – die ist einfach fantastisch!

    Zum anderen war „Wir“ ein Lied zum Aufrütteln. Zum Dritten verstehen viele Menschen Ironie nicht da sie so nahe an Kritik grenzt. Mir selbst hat das Lied „Wir“ vom Text her sogar gefallen und gefällt es immer noch. Dazu kann ich nichts aber deshalb bin ich nicht dumm oder beschränkt. Ich habe mehrere hohe Ausbildungen hinter mir – sogar noch nachdem ich 50 geworden bin.

    Wenn Ihr andere Personen kritisiert denkt doch erst einmal an eure eigene Vortrefflichkeit (?). Natürlich müssen wir die Meinungsfreiheit hoch halten aber deswegen darf man Volk nicht beleidigen. Das gehört doch zum guten Ton. Zu behaupten, Freddy Quinn sei dumm im Kopf ist nämlich eine drastische Beleidigung. Ich wünschte, ich könnte ihn mal persönlich kennen lernen erst dann würde ich mir anmaßen irgend ein Urteil abzugeben.

    LG
    Dorothee

  12. 15 Mail-o-mat

    hallo, weiss einer von euch die akkorde von dem song >wir< ????
    oder wo man das rauskriegen kann ??
    vielen dank für Eure Hilfe

  13. Sorry Freddy-Fans. Ich bin, wie man sich denken kann, kein solcher, aber ich respektiere Freddy genauso wie jeden Menschen. Ich kann euren Ärger als Fans tatsächlich gut verstehen und respektiere voll und ganz, wenn ihr Freddys Musik und auch seine Person mögt. (Wobei ich aber kaum glaube, dass irgendjemand hier Freddy Quinn persönlich kennt, und trotzdem alle Statements abgeben, was für ein Pfundskerl er ist… Aber egal.) Und ich würde Freddy auch ohne zu zögern Bohlen, Medlock oder wie sie alle heißen vorziehen — ja, er kann tatsächlich singen, und ist vielleicht sogar nicht ganz so eine Hure des Mammons wie jene (die Sache mit der Steuerhinterziehung macht mich da aber nicht so sicher).

    Allerdings ist Freddy Quinn eine öffentliche Person, und als solche natürlich auch Zielscheibe für Spott und Häme aller Art. Insofern ist es mir in einem freien Land wie dem unsrigen gestattet sein, sarkastisch — oder meinetwegen zynisch — über ihn zu schreiben. Es lag aber nicht in meiner Absicht, damit irgend jemanden zu verletzen.

    Dennoch kann ich einfach nicht anders, als den Text dieses Liedes gleichzeitig irrsinnig komisch, irrsinnig beängstigend und als wunderbares Bild seiner Zeit zu sehen. Und Freddy ist nunmal derjenige, der diesen Text gesungen hat. Also muss er auch die Konsequenzen tragen, nämlich dass ich meine Meinung zu diesem Text veröffentliche. Vielleicht habe ich ja tatsächlich die Ironie des Textes nicht ganz verstanden, dann aber die Mehrheit der deutschen Bevölkerung auch nicht. Es ist und bleibt ein Anti-„Gammler“-Song mit einem herrlich beknackten Text.

    Im übrigen dürfte ihn dieser Blogeintrag und die Diskussion hier nicht wesentlich kratzen.

  14. 17 Andreas

    Dumm ist nur der, der den Zeitgeist in dem etwas geschrieben, gesagt oder gesungen wird, nicht einbezieht. Gerade Deutsche Schlager waren nur vom „Zeitgeist“ geprägt. Ein Spiegel der Gesellschaft.

  15. das ist doch klar. jedes kulturgut ist von seiner zeit beeinflusst. aber sorry: zeitgeist entschuldigt nicht automatisch alles — man hat immer die wahl. um mal mit der beliebten nazikeule zu kommen, „Jud Süß“ war auch ein produkt seiner zeit — nur ist der zeitgeist heute glücklicherweise, dass man die teilnehmenden an diesem film zumindest kritisch hinterfragt. „Wir“ ist vielleicht weniger krass, nichtsdestotrotz gilt dafür genau dasselbe.

  16. 19 Jürgen Wieloch

    Wir schreiben ja das Jahr 2018 n.Chr. Weshalb auch die so genannten 68er eben jene 50 Jahre auf dem berühmten Buckel haben, die seit jener angeblichen Bewegung vergangen sind. Ich habe mir – ehe unter dem Aspekt eines “ Zaungastes “ ( weil damals noch zu jung ) – die Mühe gemacht und diesen “ Zeitgeist “ von einst zu kommentieren. Es mag dahin gestellt bleiben, um der “ Freddy “ von damals ein Teil der bürgerlichen Anti – Protestbewegung gewesen sein könnte oder wohl eher nicht. Fakt ist aber, dass er sehr wohl singen konnte und als Heimatlieder – und Schlagerinterpret einen enormen Erfolg hatte. Was wiederum der vormals vorherrschenden gesellschaftlichen Konventionen geschuldet war. Zu denen natürlich auch das Abspielverbot seines Anti – Vietnam – Kriegsliedes “ Hundert Mann… “ durch die deutschsprachigen Radiostationen gehörte. Quinn, sein Management und alle Begleitpersonen seiner Karriere haben sich deshalb auf einen schon fahrenden Zug herauf gesetzt, um – das ist wohl selbstredend – Kohle zu machen. Dieses Ansinnen war damals und ist es heutzutage schon längst, nicht anrüchig oder gar ehrenrührig. Ich tendiere deshalb eher dazu, Freddy Quinn nur von seiner künstlerischen Seite her zu bewerten, denn der Sänger und mehr war nie politisch. Dass er mit dem Lied “ Wir “ nun gegen die aufkommenden Gesellschaftskritiker hetzen sollte, war eben dem vorbenannten Ansinnen, ja dem der bürgerlichen Kunst immanenten Drang gehorchend, mit seinem Können eben Knete zu machen. Warum sollte er auch nicht? Allerdings hat er sich dabei dazu verleiten lassen, den Fiskus zu hintergehen. Sodass ihm Mama Justitia den alten Hintern versohlen musste.

    Da der dümmliche Anti – Protestsong keinen großen Schaden angerichtet hat, bleibt eben die Erkenntnis: Es war ein Versuch, außerhalb seines Genre, Musik zu kredenzen. Freddy hätte sich dabei eher nach dem Sprichwort “ Schuster bleib.. “ richten sollen.


  1. 1 Der Chor der Anständigen. Zu Freddy Quinns „Wir“ (Text: Fritz Rotter) « Deutsche Lieder. Bamberger Anthologie

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